Schnell die wichtigsten Rechnungen bezahlen, ein paar E-Mails beantworten und den unfertigen Text von gestern fertigstellen. Schnell einen zweiten Espresso trinken, Sachen packen, nichts vergessen. Schnell die Treppe zur Haltestelle runter und den Bus erwischen, am Goldbrunnenplatz ins 14er Tram umsteigen, am HB das Ticket lösen. Schnell durch die Menge zum wartenden Zug.
Der 15:37 Interregio nach Chur ist halbleer. Ich sitze. Lese. Schreibe. Geniesse. In Chur haben es die wenigen Leute am Gleis 5 nicht eilig. Irgendwann tuckert die rote RHB-Komposition in Richtung St. Moritz los. Die Durchschnittsgeschwindigkeit liegt bei 40 km/h.
Am Bahnhof Bergün ists fast Nacht. Ich steige als einziger aus. Der Billettschalter ist geschlossen, die Weichen werden ferngesteuert. In der Dunkelheit verschwindet mit dem Zug die letzte Spur Hektik, die mir noch anhaften könnte. Nach ein paar Schritten in Richtung Latsch liegt das Dorf unter mir, vom ersten Novemberschnee bedeckt.
Ich nehme den steilen Weg durch den Wald und finde es spannend, den Boden nicht von meinen Schuhen unterscheiden zu können. Nach zwanzig Minuten gibts eine Pause auf der Verkehrsverein-Bank mit Aussicht auf das unterdessen vollständig dunkle Tal im Zwischensaisonschlaf. Und schon bin ich da. Meine Mutter (81) umarmt mich zu einem dampfenden Eintopf in ihrem Häuschen auf 1500 m/üM, wo sie auch diese Sommersaison alleine verbracht hat.