Sunkiss

Blick aus dem Bürofenster zum Uetliberg, ich sehe ein Loch in der Nebeldecke. Sonne, wirst du dich küssen lassen? Schnell ziehe ich die Laufschuhe an. Noch vor Ringlikon schüttle ich die Brandungsgischt des Nebelmeers von meinen Füssen. Die Blätter leuchten wie Gold in der Abendsonne. Ich speichere jeden Blick. Das sind Eindrücke, die mich den ganzen Winter begleiten werden. Heute will ich einen neuen Weg probieren. Nach dem Teehaus Jurablick südwärts, weiter als sonst, über die erste Abzweigung hinaus. Die Sonne dringt immer wieder durch die Blätter, und ja, sie lässt sich küssen! Nochmals und nochmals. Irgendwann muss ich abbiegen, um den Berg zu erreichen, eine schwache Spur zeigt fast senkrecht nach oben. Sie führt an einer (bewohnten?) Hütte vorbei, dann durch geheimnisvolle Felsen. Mit Puls 180 fliege ich dem Uetzgi entgegen. Das Weglein trifft bei Ceres auf den Planetenweg. Ich laufe weiter, steige die Treppen zum Kulm und dann auf den Aussichtsturm. Die Sonne umarmt mich, ich möchte noch weiter hinauf, hab keine Flügel. Oder auf der Plattform verweilen, die Aussicht ist atemberaubend. Auf der einen Seite die Sonne über dem Nebel, am Horizont die Alpen. Auf der anderen die Stadt, grau und vermeintlich still, halb im Dunst, halb im Schatten des Berges. Aber die Arbeit, die mich eine Sonnenpause lang entbehrt hat, fordert ihre Zeitschuld zurück. Also rasch hinunter, wieder auf goldenen Pfaden, unter goldenen Blättern, das Licht berauscht mich. Der Nebel mag unten auf mich warten, die Sonne kommt im Herzen mit. Ein letzter Kuss, dann der Schattenseite der WSL entlang zur Dusche. Ins Büro. Nach Hause. Morgen ist ein neuer Tag.

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